Sonntag, August 3, 2014

Adieu, Michel

Wir waren zwar nie richtig dicke, trotzdem haben wir so einiges miteinander erlebt.
Kennen gelernt haben wir uns in der Jungenschaft.
Später bist du mit deiner Fuffi jeden Tag mindestens vier mal bei mir daheim vorbei gefahren; der eine Weg ging in die Arbeit, der zweite zu deiner damaligen Freundin, Mutter deines ersten Sohnes, geheirateteten und wieder geschiedenen Frau.
Du hast mir geholfen, mein erstes Auto (mit Motorschaden) wieder zum Laufen zu bekommen; in der Automarke waren wir uns stets eins. Wir haben zusammen bis in die Puppen Kaffee im Truckstop getrunken. Wir haben mit deinem damaligen Wagen nachts auf der Autobahn viel dicker motorisierte Autos versägt und hatten auf dem Autobahnkreuz schon auf dem Beschleunigungsstreifen über 200 auf dem Tacho.
Als Beifahrer deinen heckgetriebenen Winterautos habe ich erfahren (müssen), was ein ausbrechendes Heck ist. Die Grillabende an der Siloh-Ranch waren legendär.
Du hast mir die Brocken für meinen ersten eigenen neuwertigen PC bestellt und sie mich selbst zusammen stecken lassen; einen Pentium II mit 266 MHz. Wir haben beim Netzwerk-Zocken anderen Leuten die Spiele CD auf die Festplatte kopiert, dass diese nicht mehr mitspielen konnten.
Dann kam der Krebs.
Chancenlos sei es, hast du mir erklärt, hast aber trotzdem nach jedem Strohhalm gegriffen. Und gekämpft. Und zumindest teilweise gesiegt.
Unsere Leben haben verschiedene, sich stellenweise überkreuzende Wege eingeschlagen.
Nach meiner Ausbildung haben wir uns auf der Arbeit wieder getroffen. Einige Jahre lang hast du meine Rechner betreut. Wir haben meine Arbeitsgeräte nie nach der Leistung sondern nach der Lieferbarkeit ohne Betriebssystem ausgesucht. Auch heute noch ist mein Büro Windows-freie Zone.
Du hast mich dazu überredet, mir einen Rechner aus Cupertino zuzulegen; da bin ich heute noch froh darüber.
Wir haben uns das gleiche Auto gekauft; ich in Blau, du in Schwarz.
Deine Pläne, einen Mammutbaumwald zu pflanzen, wurden heftigst belächelt, sind aber heute teilweise aufgegangen und gut mannshoch.
In der Arbeit haben dir viele nicht abgenommen, dass du trotz allen vorangegangenen Therapien immer noch ernsthaft krank bist. Dass du deshalb in Frührente gegangen bist, konnte dort niemand so richtig verstehen.
Als du mich vor ein paar Wochen besucht hast, haben wir uns gut unterhalten. Du hast mir erklärt, dass es dir jetzt wieder ganz gut geht, nachdem es mit einem Leben Ende letzten Jahres auf der Kippe gestanden sei. Mit deinem anderen düsteren Gedankengut kam ich aber nicht gut zurecht.

Dass du so plötzlich gehen musstest, trifft mich ziemlich. Weil du bist kein „alter Mann“ gewesen sondern nur ein paar Jahre älter als ich.

Adieu, Michel.